Fast auf den Tag genau vor einem Jahr wurde mit der Einweihung des Stadtbahntunnels ein neues Kapitel in der Geschichte des Karlsruher Nahverkehrs aufgeschlagen. Am 11. Dezember 2021 rollten die ersten Tram- und Stadtbahnen der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) und der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) unterirdisch durch die Innenstadt. Zeitgleich wurde auch die neue Bahntrasse in der Kriegsstraße für den Tramverkehr freigegeben. Zum einjährigen Geburtstag des Stadtbahntunnels ziehen die VBK, die für den Tunnelbetrieb verantwortlich sind, eine positive Bilanz.
„Der Stadtbahntunnel hat unsere Erwartungen mehr als erfüllt. Der öffentliche Nahverkehr in Karlsruhe ist dadurch deutlich leistungsstärker geworden“, erklärt Dr. Alexander Pischon, Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK), die den Tunnel betreiben. “Dank des Tunnels sind wir jetzt weitestgehend frei von äußeren Störfaktoren, die früher einen negativen Einfluss auf den Bahnbetrieb hatten, etwa Falschparker, Veranstaltungen oder ein hohes Verkehrsaufkommen in der Kaiserstraße. Der Schienenverkehr in den beiden Tunnelröhren läuft sehr stabil und zuverlässig. Unsere Fahrgäste profitieren zudem von deutlich kürzeren Fahrtzeiten sowie einer modernen Bahninfrastruktur mit sieben barrierefreien Haltestellen“, zeigt Dr. Pischon die positive Entwicklung auf, die der ÖPNV in der Fächerstadt durch das „Jahrhundertprojekt Kombilösung“ und das damit verbundene neue Liniennetzkonzept in den vergangenen zwölf Monaten genommen hat.
Praxistest bestätigt Machbarkeits- und Belastbarkeitsprüfungen
Ausgezahlt haben sich damit auch die intensiven Vorbereitungen der VBK für die Inbetriebnahme des Tunnels: Dem Start des Bahnverkehrs unter der Erde vorausgegangen war ein monatelanger technischer Probebetrieb, mehrere Stresstests, gemeinsame Übungen mit Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften sowie ein umfangreiches Schulungsprogramm für das Fahrpersonal von VBK und AVG. Auch viele andere wichtige Akteure, die hinter den Kulissen für den möglichst reibungslosen Ablauf des komplexen Tunnelbetriebs sorgen, wurden hierauf intensiv vorbereitet. Denn der Tunnel verfügt allein über rund 220 Technikräume, 13 elektrische Weichen, 60 Signalanlagen, 58 Fahrtreppen, 22 Aufzüge und circa 850 Brandmeldepunkte und er ist der zentrale Knotenpunkt für das erfolgreiche „Karlsruher Modell“, das mit seinen Zweisystem-Bahnen die Stadt mit dem Umland umsteigefrei verbindet.
Als neuralgischer Punkt galt vor der Eröffnung des Tunnels das Gleisdreieck unter dem Marktplatz, an dem sich die die beiden Tunnelröhren kreuzen. Rund 1.200 Bahnen passieren diesen Streckenabschnitt pro Tag. „Die Leistungsfähigkeit des Gleisdreiecks ist bisher sehr zufriedenstellend. Wir mussten bislang nur wenige technische Optimierungen vornehmen, etwa beim Zuglenkrechner. Die mathematischen Berechnungen und Simulationen, die wir bei den Machbarkeits- und Belastbarkeitsprüfungen im Vorfeld mit renommierten Experten durchgeführt hatten, haben auch dem Praxistest erfolgreich standgehalten“, betont Ralf Messerschmidt, der den Bahnbetrieb bei den VBK leitet.
VBK arbeiten an weiteren Optimierungen
Nicht getrübt wird die positive Gesamtbilanz durch einige größere und kleinere „Kinderkrankheiten“, die im alltäglichen Fahrgast-Verkehr in den vergangenen zwölf Monaten sichtbar wurden und die sukzessive behandelt wurden bzw. die es noch zu beseitigen gilt. Hierbei haben sich die VBK auch von Beginn an offen für Anregungen und konstruktive Kritik von Fahrgästen gezeigt. So arbeiten die VBK aktuell unter anderem an einer Optimierung des Beschilderungs-Konzepts, das die VBK mit vielen Fahrgastgruppen abgestimmt hatten, Durchsagen an den sieben Haltestellen oder auch an der Betriebsstabilität der rund 130 digitalen Fahrplan-Anzeigern, die im Tunnel installiert sind. „Auch wenn man ein Haus baut, merkt man leider meist erst nach dem Einzug, wo die Handwerker vielleicht nochmal die eine oder andere Schraube nachziehen müssen. Das ist völlig normal und auch bei einem so komplexen Bauwerk wie dem Tunnel ebenfalls zu erwarten gewesen. Das haben auch die Erfahrungen aus anderen Städten gezeigt, die ähnliche Infrastruktur-Projekte umgesetzt haben“, macht Christian Höglmeier, technischer Geschäftsführer der VBK, deutlich. „Insofern hat uns das nicht überrascht. Aber wir werden hier natürlich noch nachsteuern, um diese Dinge zu verbessern und unseren Fahrgästen hier einen noch besseren Service bieten zu können“, verspricht Höglmeier.
"Kombilösung" eröffnet neue Perspektiven
Auch in puncto Aufenthaltsqualität kann der neue Tunnel punkten: Die rund acht Meter hohen, lichtdurchfluteten Bahnsteighallen an den sieben Tunnelhaltestellen sorgen für ein völliges neues Raumgefühl und ein positives Sicherheitsempfinden der Fahrgäste – gerade in der dunklen Jahreszeit. Neben den 178 Kameras, die im rund 3,6 Kilometer langen Tunnel verbaut sind und einen Blick in jeden Winkel des Bauwerks ermöglichen, trägt hierzu auch der Einsatz von Sicherheitspersonal in einem Drei-Schicht-Betrieb bei. Mehr als 20.000 Arbeitsstunden wurden durch die Mitarbeiter*innen der Security-Teams im ersten Tunnel-Jahr geleistet. „Auch das Zusammenspiel zwischen unserer Leitstelle, den Kollegen am technischen Arbeitsplatz, die alle Anlagen im Tunnel steuern und überwachen, sowie der Polizei und Rettungskräften funktioniert sehr gut. Auch hier haben sich die intensiven Abstimmungsrunden und gemeinsamen Übungen im Vorfeld der Tunnelinbetriebnahme ausgezahlt“, erklärt Höglmeier.
Die „Kombilösung“ mit dem Stadtbahntunnel und der neuen Bahntrasse in der Kriegsstraße hat nicht nur erhebliche Verbesserungen für den öffentlichen Nahverkehr mit sich gebracht und wichtige Weichen für eine nachhaltige Verkehrswende in der Fächerstadt gestellt. Durch das Ende des oberirdischen Bahnverkehrs in der Kaiserstraße hat dieses Mega-Projekt auch neue Perspektiven für die weitere Entwicklung der Karlsruher Innenstadt eröffnet.